Die Sprache der Mathematik
Im Laufe des Mathematikstudiums
werden Sie bemerken, dass die
"Sprache der Mathematik" ihre eigenen Konventionen hat.
Bemühen Sie sich,
diese Konventionen in den Vorlesungen von den Vortragenden
(siehe Fußnote *) zu lernen,
und sie
in den Übungen zu verwenden.
1. IMPLIKATION
Verwechseln Sie nicht die folgenden Aussagen:
- Wenn A, dann B. (äquivalent: "B wenn A". Oder: "A ⇒ B". A ist hinreichend für B. B ist notwendig für A.)
- Wenn B, dann A.
- A genau dann, wenn B. (äquivalent:
Wenn A, dann B, aber auch umgekehrt:
Wenn B, dann A. Mit anderen Worten: A und B sind entweder beide
wahr oder beide falsch.)
- A, daher B. (= wir wissen bereits A⇒B,
und haben A festgestellt. Also B.)
Wenn Sie etwa zeigen wollen, dass für alle positiven natürlichen Zahlen n
die Beziehung (2n+1)/(n+1) ≥ 3/2 gilt, dann können Sie dazu die
Äquivalenzumformungen
2n+1 3
---- ≥ - ⇔ 2(2n+1) ≥ 3(n+1) ⇔ 4n+2 ≥ 3n+3 ⇔ n ≥ 1
n+1 2
verwenden. (Wenn Sie die erste Formel in der obigen Äquivalenzkette nicht lesen können: Es geht um den Bruch mit Zähler 2n+1, Nenner n+1, der mindestens den Wert 3/2 haben soll.) Obwohl man diesen Beweis von links nach rechts anschreibt, laufen
die relevanten Implikationen von rechts nach links, denn die Voraussetzung (n ist positive ganze Zahl) steht ganz rechts, und die zu beweisende Behauptung links.
Der Beweis der relevanten Implikation "⇐" ganz rechts besteht also nicht darin, dass man 3n+2 von beiden Seiten subtrahiert, sondern darin, dass man 3n+2 zu beiden Seiten der (laut Annahme wahren) Ungleichung n≥1 addiert!
Das Anwenden von arithmetischen Operationen (Addieren, Quadrieren, etc) oder
ganz allgemein von Funktionen (zB Schneiden oder Vereinigen von Mengen) auf
eine wahre Gleichung liefert wieder eine wahre Gleichung: aus x=y folgt a*x=a*y, und allgemeiner
f(x)=f(y). Aber: im Allgemeinen gilt nicht die Umkehrung! Zum Beispiel
können Sie die (falsche) Behauptung " -3 = 3 " nicht dadurch beweisen, dass
Sie sie durch Quadrieren in die wahre Behauptung 9=9 überführen. Auch können Sie aus a*x=a*y nicht immer x=y schließen. (Allerdings schon, wenn a ein Inverses hat und das Assoziativgesetz gilt:
a*x = a*y ⇒ a-1*(a*x) = a-1*(a*y) ⇒
(a-1*a)*x = (a-1*a)*y ⇒
e*x = e*y ⇒
x = y.)
2. ALLQUANTOR und EXISTENZQUANTOR
Machen Sie sich (und Ihren Zuhörern -- siehe Fußnote *)
immer klar, ob sie gerade
-
von einem beliebigen Objekt x
(zB einem beliebigen Vektor x)
sprechen, etwa weil Sie gerade dabei sind, einen
Allsatz der Form "für alle x gilt..." zu beweisen
- von einem beliebigen Objekt x mit einer Zusatzeigenschaft
(zB einem Vektor ungleich 0)
sprechen.
- von einem speziell ausgesuchten Objekt x sprechen,
etwa weil sie gerade einen Existenzsatz der
Form "es gibt ein x ..." zeigen wollen.
In diesem Fall: machen Sie sich auch klar, wovon dieses x
abhängt -- hängt die Wahl dieses x vielleicht von einem
zuvor betrachteten y ab? (Etwa wenn Sie "für alle y gibt
es ein x mit..." zeigen wollen.)
2a. Quantorenreihenfolge
- Die Aussage "für alle Zahlen x gibt es eine Zahl y, sodass die
Relation x<y gilt" ist wahr.
- Die Aussage "es gibt eine Zahl y sodass für alle Zahlen x die Beziehung x<y gilt" ist aber falsch.
Die Aussagen ∀x ∃y (x < y) und
∃y ∀x (x < y) sind also
nicht äquivalent (wenn sich die Quantoren auf natürliche Zahlen beziehen). Wenn Sie eine Aussage mit Quantoren anschreiben, beachten
Sie daher die Reihenfolge der Quantoren.
Bei einfachen Allaussagen ist es oft üblich, den Allquantor
hinter die allquantifizierte Formel zu setzen ("x*x≥0 ∀x"
statt "∀x ( x*x≥0)"). Vermeiden Sie diese Schreibweise, sie führt gelegentlich
zu Unklarheiten! Bei einer komplizierteren Formel wie
∃y (x < y) ∀x ????
entsteht durch den nachgestellten Quantor Unklarheit.
Welche der folgenden Formeln ist hier gemeint?
-
"(∃y (x < y)) gilt für alle x" - das ist wahr. ("für jedes x gibt es ein y ...")
-
Es gibt ein y mit der Eigenschaft " (x < y) ∀x " - das ist falsch. ("es gibt ein y sodass für alle x ...")
Mit Klammern kann man zwar Klarheit schaffen: das führt aber zu unübersichtlichen Formeln:
(∃y (x < y)) ∀x bzw
∃y ((x < y) ∀x )
Besser (weil übersichtlicher) ist es, die Quantoren voranstellen:
-
∀x ∃y (x < y) (in den natürlichen Zahlen wahr)
- ∃y ∀x (x < y) (in den natürlichen Zahlen falsch)
Oft ist es auch angebracht, bei den Quantoren die Menge explizit anzuschreiben, über die
gerade quantifiziert wird. (Also z.B. ∀x∈R (x< y) )
2b. Versteckte Quantoren, versteckte Implikationen
Wenn Sie zum Beispiel den Satz "Blaue Autos sind schnell" formalisieren wollen, müssen Sie zuerst überlegen, was eigentlich gemeint ist. Das Wort "sind" versteckt hier eigentlich einen Quantor. Aber was ist hier gemeint?
- dass es schnelle blaue Autos gibt? ∃b: (b ist Auto) und (b ist blau) und (b ist schnell)
- oder (vermutlich eher gemeint) dass alle blauen Autos schnell sind? ∀b: ( Wenn b Auto ist, und b blau ist, dann ist b schnell).
Oder kürzer: ∀b: ( [ b ist Auto und b ist blau ] ⇒ [ b ist schnell ]).
Wenn Sie der Menge aller blauen Autos bereits einen Namen gegeben haben, etwa BA, dann können Sie die gerade angegebene Allformel auch noch kürzer anschreiben,
nämlich
∀b: ( [ b ∈ BA ] ⇒ [ b ist schnell ]).
Oder noch kürzer so - Achtung, hier ist die Implikation nicht mehr explizit sichtbar!
∀b∈BA: [ b ist schnell ].
Wenn auch die Menge der schnellen Objekte einen Namen hat, sagen wir S,
dann geht es sogar noch kürzer:
BA ⊆ S (Die Menge der blauen Autos ist Teilmenge der Menge der schnellen Objekte.)
Anmerkung: Hinter einer Teilmengenbeziehung P ⊆ Q steht immer eine Implikation, genauer:
eine allquantifizierte Implikation, nämlich:
∀x( x∈P ⇒ x∈Q )
2c. Hinweis
Hinter einem Allquantor "∀x" steht fast immer
- entweder ein weiterer Allquantor: ∀x ∀y.
(Dies wird oft auch mit ∀x,y abgekürzt. Beachten sie, dass damit wirklich alle Paare (x,y) gemeint sind, und nicht nur jene, wo x≠y gilt.)
- oder ein Existenzquantor: ∀x ∃y.
Oft wird durch so
eine Aussage eine Funktion beschrieben, die jedem x ein passendes y zuordnet. Das ist aber nicht immer der Fall - es könnte aber auch mehrere y geben,
die in Frage kommen. (Denken Sie etwa an ∀ε ∃δ)
- ODER eine Implikation: ∀x (A ⇒ B), wobei
A und B Aussagen sind, die meist von x abhängen.
Etwas ausführlicher: Für alle x gilt: Wenn A zutrifft, dann auch B.
Oder: Alle x mit der Eigenschaft A haben auch die Eigenschaft B.
Hinter einem Existenzquantor ∃y steht fast immer
- entweder ein weiterer Existenzquantor: ∃x ∃y.
(Dies wird oft auch mit ∃x,y abgekürzt. Beachten sie, dass
die Frage, ob x=y oder x≠y gelten kann/muss, zunächst offen bleibt.)
- oder ein Allquantor: ∃y ∀x .
(Hier gibt es ein festes y, das nicht von den danach quantifizierten x abhängt.)
- ODER eine KONJUNKTION: ∃x (A ∧ B), wobei
A und B Aussagen sind, die meist von x abhängen.
Etwas ausführlicher:
Es gibt ein x, auf das sowohl A als auch B zutrifft.
2d. Notwendige Klammern
Wenn Sie eine Aussage ∀x P oder ∃x Q betrachten, dann empfiehlt es sich, sie als ∀x (P) bzw. ∃x(Q) anzuschreiben.
Insbesondere dann, wenn P bzw. Q eine Implikation ist, oder eine halbwegs komplizierte Aussage. Die Aussagen ∀x (A ⇒ B) und ( ∀x A ) ⇒ B sind nicht äquivalent,
analog für den Existenzquantor.
Daher: Stellen Sie -- erstens für sich selbst, zweitens für Ihr Publikum -- immer mit Hilfe von Klammern klar, was gemeint ist.
2e. Doppelpunkt
Direkt nach einer quantifizierten Variable schreibt man gerne einen Doppelpunkt, der als "gilt" gelesen wird: "∀x: P(x)" = "für alle x gilt die Eigenschaft P", oder "∃x: P(x)" = "es gibt ein x, sodass gilt: x hat die Eigenschaft P".
Wenn man die Aussage auf alle x mit einer gewissen einfachen Eigenschaft (wie "x in N" oder "x>0") einschränken möchte, kann man diese Eigenschaft vor den Doppelpunkt schreiben: ∃x>0: P(x) oder ∀x>0: P(x). Beachten Sie, dass die
logische Bedeutung dieses Doppelpunkts vom Quantor abhängt:
- Die Formel ∀x>0: P(x) lässt sich ausführlicher als ∀x:(x>0 ⇒ P(x)) schreiben.
- Die Formel ∃x>0: P(x) lässt sich ausführlicher als ∃x:(x>0 ∧ P(x)) schreiben.
Wenn Sie so eine Aussage beweisen wollen, empfehle ich, die ausführlichere Variante anzuschreiben, weil Sie da besser sehen, was zu beweisen ist: eine Implikation ("wenn-dann") oder eine Konjunktion ("und").
Sobald die einschränkende Eigenschaft komplizierter als nur "x>0" oder "x∈A" wird, verwenden Sie bitte keinen Doppelpunkt sondern das entsprechende logische Symbol. Also nicht ∀x: x2-3>0∧x>0: x>1 sondern
∀x:( x2-3>0∧x>0 ⇒ x>1) oder noch deutlicher
∀x:( (x2-3>0∧x>0) ⇒ x>1)
2f. es gibt genau ein
Die Aussage "es gibt genau ein x mit der Eigenschaft E" schreibt man oft als
∃|x: E(x) oder
∃!x: E(x) oder ∃=1x: E(x).
Wenn man so eine Aussage beweisen will, empfiehlt es sich, diese Aussage in einfachere Teile zu zerlegen, etwa
-
∃x: [ E(x) ∧ ¬∃y: (y≠x ∧ E(y)) ]. (Gelesen: es gibt ein x, sodass x erstens die Eigenschaft E hat, und es zweitens kein weiteres y gibt [das also ungleich x ist], welches auch die Eigenschaft E hat)
-
∃x: [ E(x) ∧ ∀y: (E(y) ⇒ y=x) ]. (Also: es gibt ein x, dass die Eigenschaft E hat, sodass jedes y, das auch die Eigenschaft E hat, bereits dieses x sein muss.)
-
[ ∃x: E(x) ] ∧ [ ∀y ∀z: (E(y)∧E(z) ⇒ y=z) ]. Das heißt: erstens gibt es ein x mit Eigenschaft E, und zweitens gilt: wann immer sowohl y als auch z die Eigenschaft E haben, müssen sie gleich sein.
Diese 3 Aussagen sind äquivalent. Die dritte Aussage kann man auch so lesen:
- Erstens "Existenz": Es gibt MINDESTENS ein x mit der Eigenschaft E.
Das könnte man auch als ∃≥1x: E(x) schreiben.
- ... und zweitens "Eindeutigkeit": Es gibt nicht zwei verschiedene Objekte y,z mit der Eigenschaft E, also kurz gesagt: es gibt HÖCHSTENS ein x mit der Eigenschaft E.
Das könnte man auch als ∃≤1x: E(x) schreiben.
Die erste Aussage wäre auch dann wahr, wenn es mehr als ein x mit E(x) gibt.
Die zweite Aussage wäre auch dann wahr, wenn es gar kein x mit E(x) gibt.
Zusammen ergeben sie die Aussage, dass es genau so ein x gibt.
3. VARIABLE
(Eine ausführlichere Version dieser Hinweise finden Sie
auf dem Weblog von Tim Gowers: Tips for handling variables)
3a. Namen
Verwenden Sie Namen (üblicherweise: Buchstaben, oder Buchstaben mit
Indizes). Also nicht: "Betrachten wir einen beliebigen Vektor ..."
sondern "Betrachten wir einen beliebigen Vektor x".
(Das geht natürlich nur dann, wenn Sie den Namen "x" nicht schon früher
vergeben haben.)
Dies hat den Vorteil, dass Sie sich in späteren Sätzen sehr einfach auf diesen Vektor
beziehen können und diesen Vektor auch in Formeln verwenden können. Sie können zum Beispiel sagen "Es gibt zwei Fälle: entweder x=0, oder
x ungleich 0" und müssen nicht umständlich erklären: "Es gibt zwei Fälle: entweder der
gerade betrachtete Vektor ist 0, oder der gerade betrachtete Vektor ist ungleich 0."
Dies ist insbesondere wichtig, wenn Sie eine Aussage "Für alle..." zeigen
sollen. Wenn Sie zeigen sollen "jede natürliche Zahl > 4 hat die
Eigenschaft E", dann sollte der Beweis mit den Worten
-
"Sei n eine beliebige natürliche Zahl mit n>4. Wir wollen zeigen, dass
n die Eigenschaft E hat."
beginnen.
3b. Guten Tag, mein Name ist Vektor x. Ich bin ein Element des Raums V.
Wann immer Sie einen neuen Namen vergeben, stellen Sie klar, um was für
ein Objekt
es sich handelt. Also nicht "betrachten wir ein beliebiges x", sondern
"betrachten wir einen beliebigen Vektor x" oder "einen beliebigen Vektor x im
Definitionsbereich von f".
Sprechen Sie nicht unvermittelt von einer neuen Variable x, ohne zu erklären, welche Rolle dieses x spielt. Fast immer
können Sie eine der folgenden beiden Phrasen verwenden:
- "Sei x beliebig", oder Varianten davon: "Sei x ein beliebiger Vektor im Raum U", "Sei x eine beliebige positive reelle Zahl", "Sei x eine beliebige Matrix mit der Eigenschaft E" etc.
Diese
Formulierung empfiehlt sich dann, wenn Sie eine allquantifizierte Aussage "Für alle x..." beweisen wollen.
Aus psychologischen Gründen empfiehlt es sich, hier zu überlegen,
ob es so ein x überhaupt gibt; mathematisch notwendig ist dies hier
aber nicht. Wenn es nämlich kein x mit der Eigenschaft E gibt, dann
ist die Aussage "für alle x mit der Eigenschaft E gilt **" automatisch wahr, egal was Sie für "**" einsetzen; allerdings ist der Wahrheitswert
solcher Aussagen oft uninteressant oder irrelevant.
- "Sei x so definiert", oder "Wir wählen nun ein x mit der Eigenschaft E"; dies geht nur dann, wenn Sie schon gezeigt haben, dass es so ein x gibt. (Wenn es offensichtlich ist, dass es so ein x gibt, so brauchen Sie diese Tatsache nicht beweisen, sollten Sie aber zumindest erwähnen, um allen, die zuhören oder mitlesen, die Möglichkeit zu geben, sie zu bezweifeln.) Alles, was Sie ab jetzt zeigen, gilt nicht für alle x, sondern nur für dieses
eine.
3c. Quantifizierte Variable
Wenn Sie den Existenzquantor innerhalb eines Arguments mehrfach einsetzen,
etwa weil sie an einer Stelle "es gibt eine Zahl mit Eigenschaft A" und
später "es gibt eine Zahl mit Eigenschaft B", dann empfehle ich Ihnen,
bei der Formalisierung mit Hilfe eines Existenzquantors verschiedene
Variable zu verwenden.
Also z.B.: ∃x: A(x) und ∃y: B(y). Theoretisch könnten
Sie natürlich auch die zweite Formel durch die äquivalente
Formel ∃x: B(x) ersetzen, das kann aber zu Verwirrung führen,
weil man den Eindruck bekommen könnte, dass es ein gemeinsames
x mit beiden Eigenschaften A und B geben muss.
4. WORTE, FORMELN, BILDER
Die Lösung einer Aufgabe besteht im allgemeinen nicht nur aus
Formeln. Es ist in den Übungen erlaubt (und oft sogar erwünscht), dass sie
ganze Sätze oder Halbsätze (wie z.B. "weil x laut Annahme
nicht durch 10 teilbar ist") aussprechen oder sogar an die Tafel schreiben. Es genügt oft nicht, wenn Ihre Vorbereitung nur aus einer Rechnung
besteht. (Und wenn Ihre Vorbereitung tatsächlich nur aus einer
Rechnung besteht, dann führen Sie die Rechnung auch selbst durch. Es
reicht nicht, etwas durchzulesen, was andere gerechnet haben! Auch nicht
mehrmals.)
Wenn Sie zu Beispiel zeigen
wollen, dass das Quadrat jeder geraden Zahl gerade ist, dann reicht es nicht,
einfach die Rechnung (2k)2=4*k2 = 2*2*k2
anzuschreiben,
sondern Sie müssen Ihre Überlegungen auch
verbalisieren (oder jedenfalls: auf Anfrage verbalisieren können):
- Sei n eine beliebige gerade Zahl. Dann lässt sich n in der Form n=2k
schreiben. (Oder genauer: Dann gibt es eine ganze Zahl k mit n=2k, nämlich
k:=n/2.)
- Daher ist n2 = (2k)2=4*k2 = 2*(2*k2).
- Also lässt sich auch n2 durch 2 ohne Rest dividieren (nämlich
mit dem Quotienten 2*k2), ist also gerade.
Die handwerkliche Fähigkeit, mathematische Inhalte auch korrekt formulieren zu können, ist nicht bloße Nebensache, sondern eine wichtige Qualifikation, die
Sie im Lauf des Studiums erwerben bzw verbessern sollen. Üben Sie sie!
Oft ist es sinnvoll und erhellend, eine Situation (wie etwa "p<q")
graphisch darzustellen (etwa indem man zwei Punkte p und q
einzeichnet, wo q über p liegt, oder rechts von p).
Bedenken Sie aber, dass
Sie Begründungen (auf Anfrage) auch verbalisieren müssen.
Z.B. reicht es meist nicht aus, wenn Sie die Frage "Woher wissen
Sie, dass p<q ist?", mit "Das sehe ich in diesem Diagramm" beantworten.
Eine bessere Antwort ist meistens
- "weil wir das schon früher bewiesen haben" Zum Beispiel: in der Vorlesung, oder
in einer früheren Übungsaufgabe. In der Vorlesung ist allerdings
meist ein allgemeinerer Satz bewiesen worden, z.B.: "r<s gilt immer dann wenn XXX". Wenn Sie sich
auf so einen Satz berufen, müssen Sie den Satz erstens richtig zitieren und zweitens
überprüfen, ob er sich hier auch anwenden lässt, d.h. ob die Voraussetzung XXX erfüllt ist -- wobei natürlich das r und s aus der Vorlesung durch das jetzt betrachtete p und q ersetzt werden muss.
- oder: "weil wir das hier bewiesen haben" Beim Wort "hier" zeigen
Sie auf die Stelle an der Tafel, wo die angezweifelte Behauptung als bereits
akzeptiertes Zwischenresultat steht -- daher ist es wichtig, Zwischenresultate
auch anzuschreiben.
- oder, eine Variante: "weil das direkt aus diesem Resultat folgt" (wieder zeigen Sie auf eine Stelle an der Tafel). In unserem Beispiel: "weil wir hier schon p<x und x<q bewiesen haben und weil die hier verwendete Relation < transitiv
ist."
- oder: "weil wir das angenommen haben", zB "weil wir gerade den Fall p<q betrachten". (Daher ist es wichtig,
alle Annahmen auch aufzuschreiben, um sich leichter auf sie berufen zu können.)
- Variante: "weil das in der Definition steht" In welcher Definition? Vielleicht war ja q als die kleinste Primzahl größer als p definiert. Oder geht es um die Definition von <? Zeigen Sie einfach auf die Definition, die hoffentlich an der Tafel steht.
- oder: "weil das so in der Angabe steht."
5. FALLUNTERSCHEIDUNG
5a. Fall 1, Fall 2, ...
Oft ist es notwendig, verschiedene Szenarien
durchzuspielen, z.B. kann ein Argument nur für gerade Zahlen funktionieren,
und ungerade Zahlen werden mit einem anderen Beweis behandelt.
Ein Beweis könnte vielleicht so aussehen:
-
"Sei n eine beliebige natürliche Zahl mit n>4. Wir wollen zeigen, dass
n die Eigenschaft E hat. Wir unterscheiden 3 Fälle:
- n=5.
- n>5, und n gerade.
- n>5 und n ungerade.
Den 1.Fall haben wir letzte Woche behandelt.
Im 2.Fall ist n durch 2 teilbar, nennen wir die Zahl n/2 der Einfachkeit
halber k, (abgekürzt: Sei n=2k) .....
(Argument für 2k durchführen, und dabei beachten,
dass k mindestens 3 ist)
Im 3.Fall ist n von der Form 2k+1...
In jedem der 3 Fälle hat n die Eigenschaft E, also hat jedes n>4
die Eigenschaft E. "
Es ist üblich und auch oft hilfreich, die Fallunterscheidung auch
explizit anzuschreiben; in obigem Beweis würden Sie also "1.Fall: n=5"
an die Tafel schreiben, und später "2.Fall: n>5 und gerade".
5b Vollständigkeit, Redundanz
Manchmal ist es nicht ganz offensichtlich, dass tatsächlich bereits
alle Fälle betrachtet wurden; die Vollständigkeit der Fallunterscheidung
muss man dann noch separat beweisen. Wenn Sie zum Beispiel eine
Aussage "für alle reellen Zahlen x und y: ..." beweisen müssen, genügt es nicht, nur die Fälle x<y und y<x zu betrachten; es könnte ja auch x=y gelten.
In einem Beweis müssen die Fälle nicht immer disjunkt sein. Man kann
zum Beispiel eine Aussage zuerst für alle x≥0 beweisen, dann
für alle x≤0.
Wenn man aber eine Konstruktion mit Hilfe einer Fallunterscheidung durchführt, in der die Fälle nicht disjunkt sind,
- etwa "f(x):= A(x) für x≥0, und f(x):= B(x) für x≤0"
dann muss man auch argumentieren, dass man sich keine Widersprüche einhandelt; im Beispiel muss man zeigen, dass f(0) wohldefiniert ist (d.h., dass A(0)=B(0) gilt).
5c Division durch 0
Unmöglich. Nicht einmal an der Universität kann man durch 0 dividieren.
Nicht einmal ich als Professor mit -zig Jahren an mathematischer Erfahrung
kann das.
In jedem Körper gilt, dass das additiv neutrale Element (meist "0" genannt) kein multiplikatives Inverses hat. Wenn in Ihrem Beweis also
irgendwo ein Inverses y-1 oder ein Quotient
x/y auftaucht, und Sie noch nicht wissen, ob y gleich 0 sein könnte, empfiehlt sich eine Fallunterscheidung: Im Fall, dass y ungleich 0 ist, können Sie den Beweis einfach fortführen, aber im Fall y=0 müssen Sie sich etwas anderes ausdenken. Oft ist der Fall y=0 ohnehin trivial oder zumindest rasch zu erledigen, aber manchmal findet sich hier der entscheidende Punkt Ihres Beweises oder
Ihrer Rechnung.
(Die Vollständigkeit dieser Fallunterscheidung ist klar, denn einer der Fälle "gleich 0", "ungleich 0" muss ja eintreten.)
6. OHNE BESCHRÄNKUNG DER ALLGEMEINHEIT SEI ...
Diese Phrase hört man oft in einem mathematischen Beweis (und
sehr selten in der Alltagssprache). Was bedeutet sie?
Wenn wir zum Beispiel zeigen wollen, dass es zwischen zwei reellen Zahlen
(genauer: zwischen zwei verschiedenen reellen Zahlen) immer eine rationale
Zahl gibt, könnte der Beweis mit folgenden Worten beginnen:
- Seien x ungleich y reelle Zahlen, oBdA x < y. ...
Dies bedeutet ausführlicher:
Manchmal ist es auch so, dass der übersprungene Teil des Beweises
nicht "ganz ähnlich" zum bereits durchgeführten Teil des Beweises ist,
sondern sogar leichter. (Wenn man etwa eine Aussage für alle
reellen Zahlen x,y zeigen möchte, kann es sein, dass der Fall x=y
viel leichter als die Fälle x<y und y<x ist; er wird dann
auch gerne mit der Phrase "oBdA" übersprungen.)
Achtung! Eine gewisse Erfahrung ist nötig, um zu wissen, wann diese Phrase angewendet werden kann. Bevor Sie z.B. "oBdA x<y" sagen, überlegen Sie, welche anderen Fälle es noch gibt (hier: x>y und x=y), und ob diese tatächlich ähnlich wie der behandelte Fall x<y aussehen.
7. ZWISCHENRESULTATE
Bevor Sie einen Satz oder auch nur ein Zwischenresultat (einen Hilfssatz, ein Lemma, eine Gleichung, etc) beweisen, schreiben Sie diesen Satz bzw dieses
Zwischenresultat an, etwa in der Form "Behauptung: x<y" oder "Als nächstes zeigen wir x<y".
Wenn Ihr Beweis halbwegs kompliziert ist, empfiehlt es sich, zunächst ein paar Worte über die Struktur des Beweises zu sagen:
- Zuerst zeigen wir x≤z, dann z≤y. Damit haben wir x≤y. Schließlich (das wird der schwierigste Teil) beweisen wir x≠y, und erhalten so x<y.
(Da in der UE oft nicht genug Zeit ist, um alle Einzelheiten zu präsentieren, kann es sein, dass Sie gebeten werden, nur
den "interessanten" Teil Ihrer Argumentation vorzutragen.)
Um sich selbst und dem Publikum klar zu machen, wie weit ein Beweis
oder eine Konstruktion
schon fortgeschritten ist, empfiehlt es sich, auch einen
Satz der Form "Zu zeigen ist jetzt also nur noch: ... " einfließen
zu lassen.
Unterscheiden Sie bitte sorgfältig die folgenden Situationen:
-
"Zu zeigen ist noch" oder "Behauptung": Sie schreiben eine Behauptung B an (oder eine Gleichung, eine Eigenschaft, einen Satz, ein Lemma), die noch zu beweisen ist, sozusagen als Wegweiser, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
(Es empfiehlt sich, der Klarheit halber darauf hinzuweisen, dass diese Behauptung noch
nicht bewiesen ist, etwa indem man "Zu zeigen:" davor schreibt, oder indem man ein Fragezeichen über
das zu zeigenden Gleichheitszeichen setzt, oder indem man gleich dahinter den Beweis der Behauptung
mit dem Wort "Beweis:" beginnt, etc. Wenn Sie diese Behauptung erst später beweisen, empfiehlt es sich,
ihr einen Namen zu geben (Lemma 1, Behauptung (*), etc), damit Sie dann später den Beweis mit den
Worten "Beweis von Lemma 1" bzw "Beweis von (*)", etc, beginnen lassen können.)
- Wir haben gezeigt: Sie schreiben eine Behauptung B an, die Sie gerade bewiesen haben, zur Dokumentation Ihres Fortschritts.
- Laut Annahme gilt: Sie schreiben eine Behauptung B an, die gilt, weil Sie sie angenommen haben. (Entweder weil die Angabe diese vorgibt, etwa weil Sie "aus B folgt C" beweisen müssen, oder weil Sie im Rahmen einer Fallunterscheidung B angenommen haben und den Fall nicht-B später betrachten.)
Am Schluss eines Beweises oder einer Konstruktion
empfiehlt sich ein zusammenfassender
Satz, in dem Sie noch einmal die wichtigste Tatsache wiederholen:
"Also haben wir zu beliebigem y ein x mit f(x)=y gefunden,
daher ist f wirklich surjektiv, was zu beweisen war."
8. INDIREKTER BEWEIS
8a. ... one of a mathematician’s
finest weapons
Reduction ad absurdum is a far finer gambit than any chess gambit: a
chess player may offer the sacrifice of a pawn or even a piece, but
a mathematician offers the game.
Wenn Sie zeigen können, dass eine Annahme A
auf einen Widerspruch führt, dann haben Sie damit gezeigt, dass A
falsch sein muss. Umgekehrt: Wenn Sie zeigen
können, dass die Annahme "B gilt nicht" auf einen Widerspruch führt, haben
Sie damit gezeigt, dass B wahr sein muss.
Um etwa zu zeigen, dass jede natürliche Zahl n>4
die Eigenschaft E hat, können Sie einen Beweis so beginnen:
-
"Sei n eine beliebige natürliche Zahl mit n>4. Wir wollen zeigen, dass
n die Eigenschaft E hat. Wir gehen indirekt vor: Nehmen wir an, dass n nicht die
Eigenschaft E hat."
Mit geschickten Argumenten können Sie nun
weitere Eigenschaften von n erschließen, bis sie vielleicht
entdecken, dass n=3 sein muss, oder 2n=11, oder etc,
im Widerspruch zur Annahme.
8b. Kontraposition
Die Kontraposition kann als Spezialfall des indirekten Beweises gesehen werden (oder als eigene Beweistechnik):
- Statt "Aus A folgt B" zu beweisen, genügt es, "aus non-B folgt non-A" zu zeigen. (Oder umgekehrt: Statt "aus non-B folgt non-A" ist vielleicht "aus A folgt B" einfacher.)
- Statt "Aus A folgt non-C" zu beweisen, genügt es, "aus C folgt non-A" zu beweisen. Oder umgekehrt.
Ein typisches Beispiel sind Aufgaben, in denen lineare Unabhängigkeit zu zeigen
ist. Statt "Wenn X linear unabhängig ist, dann auch Y" zeigt man oft
lieber "wenn Y linear abhängig ist, dann auch X". Die Annahme "X ist l.u."
ist nämlich eine Implikation (wann immer eine Linearkombination...dann
müssen alle Koeffizienten...) bzw eine negierte Aussage (Kein Element von X lässt sich ...darstellen), mit der lässt sich schwer arbeiten.
Die Annahme "Y ist l.a." ist hingegen von der Struktur her einfacher: Es gibt
eine nichttriviale Linearkombination, die 0 liefert. Schreiben wir sie als
Summe über alle... an. Aus dieser Summe lässt sich vielleicht
eine nichttriviale Linearkombination der Vektoren in X konstruieren.
9. WEITERE BEWEISTECHNIKEN
9a. Logische Umformungen
-
Um "aus A folgt B" zu beweisen, beginnt man meist mit
"Angenommen, dass A gilt".
Mit Hilfe dieser Annahme muss man B zeigen.
Beachten Sie:
- Im Verlauf des Beweises dürfen Sie an beliebigen
Stellen A verwenden: "... weil wir ja A angenommen haben".
- Hingegen ist die Phrase "... daher gilt A" zwar formal wahr, aber unsinnig. Die Aussage A brauchen Sie nicht beweisen; sie gilt bereits laut Annahme.
- Ebenso ist es nicht hilfreich, "Nehmen wir an, dass B gilt" zu sagen.
- Um "aus A folgt B" zu beweisen, kann man auch
"A und nicht-B" annehmen, und daraus einen Widerspruch folgern.
- Es kann also im Beweis von "Aus A folgt B" durchaus sinnvoll sein, "Nehmen wir an, dass B nicht gilt" zu sagen. Sie könnten hier das Stichwort "indirekter Beweis" verwenden.
- Ebenso kann es sinnvoll sein, an irgend einer Stelle die Schlussfolgerung "daher gilt A nicht" zu ziehen, dann ist nämlich ein Widerspruch zur Annahme erreicht.
-
Statt "A oder B" zu beweisen, kann man "aus nicht-A folgt B" beweisen, oder
aus "nicht-A und nicht-B" einen Widerspruch herleiten.
Wenn man "A oder B" aus einer Annahme X beweisen soll, ist es oft einfacher, die Kontraposition zu beweisen: "Aus non-A und non-B folgt, dass X nicht gilt". Oder Sie zeigen, dass aus "X und non-A" die Behauptung B folgt.
Kurz gesagt, die folgenden drei Formeln sind äquivalent:
-
X ⇒ (A ∨ B)
-
(¬A ∧ ¬B) ⇒ ¬X
-
(X ∧ ¬A ) ⇒ B
-
Wenn man einen Allsatz "für alle x" beweisen will, muss dieser
Beweis
für beliebige Auswahl von x funktionieren; stellen Sie sich vor, dass ein böswilliger Gegner das x auswählen kann.
In Beweisen empfiehlt sich hier die Phrase "Sei x beliebig..."
- für einen Beweis einer Aussage der Form "es gibt ein x" dürfen
Sie das x wählen. In Beweisen hört man oft "Sei x wie folgt
definiert" oder "Wir zeigen, dass das folgende x die Eigenschaft ... hat",
oder "es gibt ein x mit dieser Eigenschaft, nämlich x:= ...":
- Um eine Mengeninklusion A ⊆ B zu beweisen, muss man zeigen, dass jedes
Element von A auch in B liegt; ein Beweis beginnt daher oft mit "Sei x in A beliebig", und endet mit "... x in B. Jedes Element von A liegt also in B, das heißt A ⊆ B".
Um zu zeigen, dass A ⊆ B nicht gilt, genügt es, ein einziges "Gegenbeispiel" zu finden, also ein Element von A, welches nicht in B liegt.
- Eine Mengengleichheit A=B beweist man oft, indem man A⊆B und B⊆A in 2 getrennten Schritten zeigt. (Machen Sie sich und Ihrem Publikum dabei immer klar, welche
der beiden Inklusionen Sie gerade beweisen.)
- Zwei Funktionen f,g: A → B sind genau dann gleich, wenn für
alle a in A die Gleichung f(a)=g(a) gilt. Wenn f und g durch explizite
Formeln gegeben sind, kann man das meist leicht nachrechnen. Wenn f und/oder
g durch Fallunterscheidungen definiert sind, muss man im Beweis auch möglicherweise
Fälle unterscheiden.
Um die Ungleichheit von f und g zu zeigen, genügt es, ein
einziges a in A zu finden, sodass f(a) ≠ g(a) gilt.
9b. Negation
- Die Negation der Aussage "Für alle x gilt A" ist äquivalent zu "es gibt ein x, sodass nicht-A gilt".
Wenn Sie also zeigen wollen, dass ein Allsatz "Für alle x..." falsch ist, dann geben Sie am besten ein Gegenbeispiel an.
(EIN Gegenbeispiel; als Fleißaufgabe gerne auch die Menge aller Gegenbeispiele, aber Sie müssen auch zeigen, dass diese Menge nicht leer ist.)
- Die Negation der Aussage "Es gibt ein x mit der Eigenschaft A" ist äquivalent zu "für alle x gilt nicht-A"
- Die Negation der Aussage "A oder B" ist äquivalent zu "nicht-A und nicht-B"
- Die Negation der Aussage "A und B" ist äquivalent zu "nicht-A oder nicht-B"
- Die Negation der Aussage "Aus A folgt B" ist äquivalent zu "A und nicht-B".
- Die Negation der Aussage "A ⇔ B" ist äquivalent zu "(A und nicht-B) oder (nicht-A und B)".
- Die Negation der Aussage "¬A" ist äquivalent zu A.
Abgekürzt:
- ¬(∀x: A) ⇔ ∃x(¬A)
- ¬(∃x: A) ⇔ ∀x(¬A)
- ¬(A ∨ B) ⇔ ¬A ∧ ¬B
- ¬(A ∧ B) ⇔ ¬A ∨ ¬B
- ¬(A ⇒ B) ⇔ A ∧ ¬B (Diese Äquivalenz scheint mir besonders wichtig, weil sie helfen kann, die Implikation besser zu verstehen.)
- ¬(A ⇔ B) ⇔ (A ∧ ¬B) ∨ (¬A ∧ B)
- ¬(¬A) ⇔ A
10. Ergänzungen (WS 2015)
- Mengen
- Beachten Sie den Unterschied zwischen Mengen und Elementen! Die Zahl 0 ist etwas anderes als die einelementige Menge {0}, deren einziges Element die Zahl 0 ist.
- "Overloading" von Symbolen
- Beachten sie auch, dass die Bedeutung des Symbols "0" vom Kontext abhängt. Wenn wir von einem Körper sprechen, ist mit 0 meistens das additionsneutrale Element gemeint; wenn wir von einem Vektorraum V über einen Körper K sprechen, kann mit 0 entweder das additionsneutrale Element 0K des Körpers gemeint sein, oder das additionsneutrale Element 0V des Vektorraums. Im allgemeinen sind die beiden nicht gleich.
Gelegentlich ist mit dem Symbol 0 auch die "Nullabbildung" gemeint, das ist
jene konstante Funktion (definiert auf dem gerade betrachteten Vektorraum,
auf der gerade betrachteten Gruppe, etc), die für jede beliebige Eingabe den
Wert 0 ausgibt.
Mit dem Symbol 1 ist oft die natürliche Zahl 1 gemeint, oft aber auch einfach das multiplikationsneutrale Element des gerade betrachteten Körpers.
Mit dem Symbol 2 ist so gut wie immer der Wert von 1+1 gemeint. Allerdings handelt es sich bei "1" oft nicht um die natürliche Zahl 1, und bei "+" nicht um die übliche Addition von ganzen Zahlen. Es kann durchaus vorkommen, dass 1+1=0 gilt; in diesem Fall ist der Bruch 1/2 undefiniert. (Ebenso kann es vorkommen,
dass x+x=0 gilt, ohne dass x=0 ist. Aus x+x=0 kann man in einem Körper zunächst nur schließen, dass (1+1)x=0 ist. Wenn 1+1 ungleich null ist, kann
man diese Gleichung mit dem Inversen von 1+1 multiplizieren...)
- Mengennotation
- Wenn eine Menge M durch M={x in V | E(x) } definiert ist, wobei E(x) eine Aussage ist, die meist irgendwie von x abhängt (z.B. "x ungleich 0" oder "∃y x=y*y),
dann ist (für jedes a in V)
die Aussage "a ∈ M" einfach äquivalent zu E(a). Zum Beispiel ist
"x in ker(f)" äquivalent zu "f(x)=0", weil ker(f) als die Menge { x : f(x)=0 } definiert ist.
Oft empfiehlt es sich, mit der Aussage E(x) statt mit "x in M" zu arbeiten,
weil wir mit Elementen oft besser umgehen können als mit Mengen; statt
M ⊆ M' zeigen Sie "Wenn x in M ist, also Eigenschaft E hat,
dann ist x in M'". Dazu müssen Sie natürlich immer die
Definition von M im Kopf haben.
- Wohldefiniertheit:
-
- Wenn wir eine Funktion f durch eine Formel der Form f(x) = ...x... definieren,
wobei ...x... irgend ein Ausdruck ist, der i.A. von x abhängt,
muss man überprüfen, dass dieser Ausdruck
immer einen Wert liefert. ("immer" heißt: für jedes x im Definitionsbereich von f.)
Das ist meistens kein Problem, aber bei Ausdrücken, in denen zum Beispiel multiplikative Inverse vorkommen (z.B. Brüche wie 1/(x-3)), muss man sicherstellen, dass diese auch definiert sind (im Beispiel: dass 3 nicht im Definitionsbereich liegt, oder dass f(3) anders definiert wird).
Ähnliches gilt, wenn Quadratwurzeln auftreten.
- WICHTIG Wenn wir eine Funktion f durch eine Formel der Form f(H(x)) = ...x... definieren, wobei H eine schon bekannte Funktion ist
(z.B. H(x) = x+U, Nebenklasse. In komplizierteren Fällen auch f(H(x,y)) = ...x...y... ),
dann verwenden wir das Schlagwort "wohldefiniert" oder "vom Repräsentanten
unabhängig", um zu behaupten, dass es überhaupt eine Funktion f gibt, die
durch diese Funktion beschrieben wird. Die Wohldefiniertheit ist zu
folgendem Sachverhalt äquivalent:
- für alle (relevanten) x und x' gilt:
WENN H(x) = H(x'), DANN ...x... = ...x'...
(Wenn Sie so eine Implikation beweisen wollen, dürfen Sie natürlich nicht die
Funktion f verwenden. Dass es eine Funktion f gibt, die die gewünschte
Eigenschaft hat, ist ja noch nicht bewiesen.)
- Beispiel: Eine der beiden folgenden Definitionen liefert eine
auf den positiven rationalen Zahlen wohldefinierte Funktion, die andere nicht:
- ∀x,y ∈ Q+: f(x/y) = y/x.
- ∀x,y ∈ Q+: g(y/x) = y-x.
- Alternative Beschreibung des vorigen Punktes: Nehmen wir an, eine
Funktion f wird durch Instruktionen
beschrieben:
- "Um f(r) zu berechnen, finden wir
zunächst ein z sodass blabla (zum Beispiel: H(z)=r) , dann rechnen wir mit r und z wie folgt blabla und
erhalten ein Resultat y - das soll f(r) sein.
Damit so eine Definition eine wohldefinierte Funktion liefert, müssen wir
sicher stellen, dass jeder, der diesen Instruktionen folgt, das gleiche Resultat bekommt. Zwei Beispiele, wo es um eine Funktion von den positiven reellen Zahlen in die reellen Zahlen geht:
- Wir definieren f(x2) = x+1.
Um f(r) zu berechnen, finden wir zunächst ein x in R mit x2=r. Dann addieren wir 1 zu x - das ist das Resultat.
NICHT WOHLDEFINIERT! Für die Berechnung von f(9) könnten Sie 4 erhalten, ich aber -2. (Nachrechnen!)
- Wir definieren g(x2) = |x|+ 1.
Um g(r) zu berechnen, finden wir zunächst ein x in R mit x2=r. Dann addieren wir 1 zum Betrag von x - das ist das Resultat.
WOHLDEFINIERT! Verschiedene Rechenwege, die beide dieser Instruktion folgen, führen zum gleichen Ziel.
Martin Goldstern, 2008, 2009,... , 2021, 2023
Fußnote *: Für alle jene, die dabei nur an männliche Zuhörer bzw. Vortragende
denken: Wachen Sie auf, das 19.Jahrhundert ist vorbei!